Muttersprache als Pflegefaktor kaum genutzt

Dieses Fazit zogen die Teilnehmer der Tagung "Platt in der Pflege", die sich in der Woche der Demenz im Wittstocker Rathaus zusammengefunden hatten bzw Online zugeschaltet waren.Wissenschaftler und Praktiker aus Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein. Das Urteil fiel einhellig aus, belegt durch die Berichte von Praktikern und eine wissenschaftliche Studie der Uni Bochum.

So berichteten die langjährige Pflegepädagogin Hella Einemann-Gräbert und die Kieler Demenzschwester Sylvia Glismann, wie hilfreich es ist, wenn sie mit Patienten oder Bewohnern Plattdeutsch sprechen, die Muttersprache vieler Norddeutscher. Ob im Seniorenheim oder auf der Klinik-Station, in jedem Fall schöpfen Betreute gerade wenn sie unter Gedächtnisverlusten leiden, Vertrauen, wenn sie in der Sprache angesprochen werden, mit der sie aufgewachsen sind.

Eine wissenschaftliche Studie an der Universität Bochum unter Leitung von Professorin Karin Bente-Karl, die sie in Wittstock vorstellte, stützt diese Erfahrungen. Im Rahmen des Projektes "Unvergessen" wurden seit 2016 demente Senioren, die mehrsprachig gelebt hatten, z.B. als Zuwanderer aus Polen oder Russland von mehrsprachigen Studenten besucht und gezielt befragt. Über den Zeitraum von bis zu 4 Jahren zeigte sich, das Demente am längsten in Ihrer Muttersprache erreichbar sind. Professorin Katrin Bente Karl unterstrich einmal mehr, wie wichtig es ist, Sprachbiografien zu erkennen und in die Pflege einzubeziehen.

"Sprache und Demenz sind miteinander verknüpft, am Ende herrscht Sprachlosigkeit" - Doch der Prozess läßt sich bremsen. Ähnlich wie bei der Erstsprache Plattdeutsch kann der Pflegende die jeweilige Erstsprache einsetzen, um Spannungen ab- und Vertrauen aufzubauen.  Das bringt Erleichterungen für alle an der Pflege Beteiligten. Sprache übernimmt eine Schlüsselrolle in Krisen, versichert auch Sonja Köpf von der Alzheimer Gesellschaft Brandenburg, die bei der Pflege-Tagung mit dem Landesverein für Niederdeutsch kooperierte.referenten 2

Einen"Meilenstein" nennt Heidi Schäfer vom veranstaltenden Verein für Niederdeutsch im Land Brandenburg, diesen wissenschaftlichen Nachweis. Seit 2008 setzen sich die Niederdeutschen im Bundesraat för Nedderdüütsch (Bundesrat für Niederdeutsch) dafür ein, Sprache - hier das Plattdeutsche- in den Dienst der Pflege zu stellen. Die Erstsprache vermittelt nicht allein Informationen, sie zeugt von Respekt und weckt Emotionen, wenn Betreuende sie nutzen. Die niederdächsische Fachschule Wildeshausen hat Plattdeutsch sogar zum Pflichtfach in der Ausbildung von Pflegekräften gemacht.

Sprache ist ein Türöffner, gerade wenn es um Menschen mit Gedächtnisverlusten geht, dieses Wissen sollte in allen medizinischen, sozialen und Pflegebereiche angewandt werden. Gerade wenn es um nachlassendes Erinnerungsvermögen geht.  Immerhin 60 000 Betroffene - schätzt das Zentrum für Demenz gibt es allein in Brandenburg. Da sollte jede Muttersprache ein Werkzeug für die Pflege sein.  Schließlich leben wir in einer multikulturellen Gesellschaft mit russischen, polnischen oder türkischen Zuwanderern...

 

 

 

VERANSTALTUNGEN
Mi., 15. Mai., 13:00 Uhr
Sondersitzung Kulturausschuß des Brandenburger Landtags
 
Di., 21. Mai., 18:00 Uhr
Wittstocker Platt-Stammtisch an der VHS
 
Fr., 31. Mai., 10:00 Uhr
Vorstandstreff in Wittstock
 
Di., 4. Juni., 18:00 Uhr
Wittstocker Platt-Stammtisch an der VHS
 
PLATT IN UNS KIRCH
26. Mai., 10:00 Uhr
Plattdüütsch in Kirch Stück
 
9. Juni., 10:30 Uhr
Plattdüütsch in Groß Breese
 
16. Juni., 07:00 Uhr
Plattdüütsch in Warnemünde